
"Der Mai ist gekommen, die Bäume schlagen aus..." oder "Wer recht in Freuden wandern will, der geh' der Sonn' entgegen..." vertont von Justus Wilhelm Lyra, die Texte von Emanuel Geibel, der am 17. Oktober 1815 vor 200 Jahren in der alten Hansestadt Lübeck geboren wurde als Sohn eines reformierten Pastors und einer Kaufmannstochter.
Nach dem Besuch des traditionsreichen Lübecker Katharineums und anschließendem Studium der Theologie und Klass. Philologie ging er nach Berlin und schloss dort Freundschaft mit Adelbert v. Chamisso, Bettina von Arnim und Joseph v. Eichendorff. Nach seiner Promotion an der Universität in Jena erhielt er zusammen mit dem Althistoriker u. Archäologen Ernst Curtius eine Anstellung als Hauslehrer beim russischen Gesandten in Athen. Sein Griechenlandaufenthalt prägte seine klassische Dichtung. Nach seiner Rückkehr verweilte er 1841 und 1842 auf Schloss Escheberg bei Zierenberg in Hessen. Dort veröffentlichte er die ersten Gedichte. Hierzu gehörten preußenfreundliche patriotische Gedichte, die vom preußischen König Friedrich Wilhelm IV. hoch gelobt wurden und er Geibel eine lebenslange Pension von 300 Talern aussetzte. Nachdem Geibel 1852 die 17 jährige Amanda Trummer heiratete, die ihm 1853 eine Tochter gebar, zog er nach München. Schon nach zwei Jahren 1855 verstarb seine Frau. Der bayrische König Maximillian II. war ebenfalls ein großer Bewunderer dieses Dichters und verlieh ihm die Ehrenprofessur für deutsche Literatur und Poetik. In München schloss sich Geibel dem Dichterkreis "Die Krokodile" an. 1864 verstarb sein Förderer Maximillian II. Durch seine preußenfreundliche Gesinnung verlor er nach dem Tode Maximilians seine lebenslange kgl. bayrische Pension und kehrte zurück in seine Vaterstadt Lübeck, wo er 1868 den preußischen König Wilhelm mit einem Gedicht begrüßte, das zur Ungnade bei Ludwig II. v. Bayern geführt hatte. Die Jahre 1873-75 verbrachte Geibel in Bad Schwartau und starb am 6. 4. 1884 in Lübeck, hochverehrt als Stadtdichter und Ehrenbürger. Sein bekanntes, der Heimatstadt Lübeck gewidmetes Gedicht "Zu Lübeck auf der Brücken, da steht der Gott Merkur", war eine Anspielung auf die gleichnamige Skulptur auf der Lübecker Puppenbrücke.
Geibels literarisches Schaffen entsprang der Spätromantik, der letzten Phase der Romantik, als kunsthistorische und literarische Epoche zwischen 1815-48 mit Vertretern wie E.T.A. Hoffmann, Joseph v. Eichendorff, Clemens Brentano, Achim von Arnim und Ludwig Tieck. Als Geibel 1868 wieder in Lübeck verweilte, gehörte er zu den damals populärsten deutschsprachigen Lyrikern. Sein 1840 erschienener erster Gedichtband erreichte bis zu seinem Tode 100 Auflagen. Nur seine patriotischen Gedichte, wie das häufig falsch verstandene Gedicht von 1861 "Und es mag am deutschen Wesen, einmal noch die Welt genesen", werden ihm heute stark vom Linksspektrum verübelt. Seine Werke entsprachen dem damaligen Zeitgeist und werden dementsprechend von heutigen Literaturkritikern zerrissen. Nach Geibel sollten seine vaterländischen Gedichte als ein Aufruf an die Einzelstaaten zur Einigung eines neuen Deutschen Reichs unter einem Kaiser verstanden werden, das er 1871 nach dem Deutsch-Französischen Krieg endlich verwirklicht sah. Arno Holz, der 1863 in Rastenburg/Ostpreußen geborene Dichter, schrieb damals "Geibel war auf der Schulbank unser Gott", heute im Rahmen des gängigen Zeitgeistes einer "Politcal correctness", leider ein gefallener Gott. Nein, Geibel das hast du nicht verdient!
Manfred Lietzow
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