Nordzypern – eine Republik, die es nicht gibt

02.05.2017

Gerade bin ich von meiner Frühjahrs-Studienreise durch Nordzypern zurück. Der weitgehend unbekannte Norden reizte mich, da ich zuletzt 1996 im südlichen, griechischen Teil dieser geschichtsträchtigen und von der mediterranen Flora im östlichen Mittelmeer so reichlich verwöhnten Insel der Griechen und Türken war. Damals war es in der seit 1974 bis heute geteilten Hauptstadt Nikosia nicht möglich, vom südlichen in den nördlichen Teil Zypern als Tourist die Grenze zu überschreiten. Auf der Mauer hinter schwerem Stacheldraht stand schwerbewaffnetes türkisches Militär und blickte argwöhnisch auf jeden, der sich der Grenze näherte, während unterhalb der Mauer die griechischen Militärposten jede Bewegung der Türken beäugten. Dazwischen standen die Posten der UNO und versuchten jeden Konflikt zwischen Türken und Griechen im Zaune zu halten.
Zypern war schon seit der Antike durch ihre Insellage und einstigen Bodenschätze an Kupfer, der Verarbeitung von Eisen und dem Holzreichtum für den Schiffsbau zwischen Orient und Okzident strategisch stets von großer Bedeutung. Genauso wie die Reiche der Antike wechselten sich Phönizier, Assyrer, Ägypter, Griechen, Römer, Byzantiner, Kreuzritter, Franzosen der Lusignan-Dynastie, Venezianer, Osmanen und Briten im Laufe der Jahrhunderte ab.
1571-1878 dominierten die Osmanen auf Zypern und wurden bis zur Unabhängigkeit der Insel 1960 von den Briten als Kolonie verwaltet. Ein harter Partisanenkampf der griechischen EOKA-Unabhängigkeitsbewegung gegen die britischen Besatzer und Anschluss an Griechenland (Enosis-Bewegung) hatte seit 1955 hierzu geführt. Noch heute befinden sich zwei britische Militärstützpunkte auf der Insel. Der Süden Zyperns gehört zu den meistbesuchten Urlaubsländern der Briten, gefolgt von Russen und Deutschen. Seit 1974 ist der Norden Zyperns von den Türken besetzt, ausgelöst durch die Schaukel-Politik des Erzbischofs Makarios. Die Insel wurde nach ethnischen Gruppen geteilt. 200.000 griechische Zyprioten flohen in den Süden und 45.000 Türken vom Süden in den Norden. 1975 wurde die „Türkische Republik Zypern“ ausgerufen, die von der internationalen Staatengemeinschaft nicht und nur von der Türkei anerkannt wurde. Auch die EU geht von der Unteilbarkeit der Insel aus und sieht Nordzypern als „Sondergebiet der EU“ an. Die Nichtanerkennung von Nordzypern (38 % der Insel) als eigenständige Republik bedeutet in der Praxis für den gerade im Norden anlaufenden Tourismus, dass die Fluggesellschaften den international nicht anerkannten Flugplatz Ercan bei Famagusta nicht direkt anfliegen können. Mein Flug ging von Hannover nach Antalya auf dem türkischen Festland. Dort musste das Freebird-Flugzeug, einer Nebenlinie von „Turkish airlines“ 60 Minuten auf dem Flugplatz bleiben ohne, dass die Reisenden den Flieger verlassen konnten. Dann erst durfte er Ercan anfliegen.
Vom reizvollen Nordzypern zwischen Kyrenia-Gebirge und Mittelmeer mit seinen antiken Stätten in Famagusta, Kyrenia, Salamis, Bellapais u.a., wo im Frühling schon die Zitronen-, Orangen und Pomeranzen an den Bäumen duften und eine wundervolle Blumen- und Blütenpracht zu bestaunen ist, kann man ohne große Engpässe in den griechischen Süden. Am Grenzübergang in der Altstadt Nikosias wird zwischen beiden Stadtteilen eine „Geisterzone“ mit leerstehenden Häusern durchquert. Als EU-Bürger oder gebürtiger Zypriot besteht die Möglichkeit mit dem Personalausweis oder Pass jeweils den griechischen oder türkischen Teil zu besuchen. Jedoch „Festlands-Türken“ aus Anatolien, die seit der türkischen Besetzung 1974 im Norden angesiedelt wurden, dürfen nur umständlich über die Türkei einreisen. Als offizielle Währung gilt im Norden nur die türkische Lira bei z. Z. einem Kurs von 1 € : 4 Lira, aber inoffiziell kann überall mit dem Euro bezahlt werden. Im südlichen griechischen Teil gilt nur der Euro. Noch sind die Preise im Norden etwas niedriger als im touristisch verwöhnten Süden.
Gerade in dieser Zeit sind die Verhandlungen zwischen den beiden Volksgruppen der Türken und Griechen, die wieder einmal unterbrochen waren, aufgenommen worden. Mit überwiegender Mehrheit hatte gerade das griechisch-zypriotische Parlament der Aufnahme von Verhandlungen mit den Türken im Norden zugestimmt. Hoffen wir, dass nun endlich ein Durchbruch bei den Verhandlungen zur Vereinigung der Insel in Form eines Bundesstaates erzielt wird. Die Zyprioten beider Seiten kommen trotz der religiösen und politischen Unterschiede leichter zurecht, wenn man sie nur lässt und die Schutzmächte Griechenland, Türkei und Großbritannien sich nicht immer einmischen. Eine Wiedervereinigung Zyperns ohne Militärpräsenz von außen und endlich tatsächlicher Frieden auf der Insel wäre der leidgeprüften zypriotischen Bevölkerung zu wünschen!
Manfred Lietzow