Erdogan - Musterdemokrat Europas?

04.05.2016

Wenn es um Satire geht, die sie selbst betrifft, verstehen Diktatoren keinen Spaß, ob in China, Russland und nun auch in der Türkei.Sultan Erdogan, der von einem neuen Osmanischen Reich träumt, fühlte sich vom NDR Satire-Magazin "extra 3" beleidigt durch ein Lied "Erdowie, Erdowo, Erdogan", worin er sich mit seinen zunehmend selbstherrlichen Machtansprüchen der Lächerlichkeit ausgesetzt fühlte.

Der deutsche Botschafter wurde einbestellt, ein unglaublicher Vorgang, wenn man bedenkt, dass nur bei ernsten Vorfällen solch diplomatisch aufsehenderregender Schritt erfolgt. Erdogan muss sich bis ins Mark seines faschistoiden Regimes getroffen gefühlt haben, hat doch diese nur kurze ironische Politsatire seine Unterdrückungspolitik gegen Kurden, Frauen, Andersgläubige und -denkende demaskiert. Besonders kritische Journalisten, wie zur Zeit der Prozess gegen zwei namhafte Redakteure der türkischen Zeitung "Cumhuriyet" zeigt, und damit die Opposition insgesamt, haben seinen Zorn entfacht."...ein Journalist, der irgendwas verfasst, was Erdogan nicht passt, ist morgen schon im Knast", heißt es im Satirelied. Wer die Pressefreiheit ständig untergräbt, hört das nicht gerne; denn jene angeklagten Journalisten deckten in ihrem Blatt auf, dass Erdogan als reaktionärer Moslem heimlich mit der Terrormiliz IS sympathisiert und ihr Waffen liefert, obwohl er mit der NATO verbündet ist und die Islamisten eigentlich bekämpfen sollte, stattdessen verfolgt er weiterhin die Kurden mit westlichen Waffen, um einen Kurdenstaat an seinen Grenzen zu verhindern. Und der Westen? Er toleriert ihn! Statt die Missstände in Erdogans Reich anzuklagen,die Einhaltung der vom Westen stets geforderten demokratischen Grund- und Menschenrechte zu verlangen, schließt die EU unter Führung der Kanzlerin einen "Pakt mit dem Teufel", während ähnlichen Politsystemen wie Putins Russland, Sanktionen auferlegt werden.

Erdogan wird gebraucht. Er soll uns die Flüchtlinge vom Halse halten, die Frau Merkel zwar gut meinend aber ohne Weitblick auf die Folgen seit August 2015 und ohne Legitimation durch den Bundestag in die EU und primär nach Deutschland einlud; denn nach Merkels Vorstellungen sollen nur die Außengrenzen geschützt und "Schengen" um jeden Preis erhalten werden. Griechenland als EU-Außengrenzland ist dazu wieder einmal nicht fähig. So hofft die EU auf die Türkei und diese nutzt die Gunst der Stunde. Erdogan erpresst die EU durch die Forderung von 6 Mrd. €, Fortfall der Visumspflicht für türkische Staatsbürger (Sollen die Flüchtlinge aus Syrien und dem Irak durch solche aus der Türkei noch ergänzt werden?) und beschleunigte Aufnahme der Türkei in die EU. Schon im Juni 2016 sollen die Reisebeschränkungen für Türken fallen.Im Gegenzug soll die Türkei nicht nur die Außengrenze in der Ägäis schützen, sondern auch Asyl-Immigranten aus der EU zurücknehmen. Die 6 Mrd. € sollen angeblich zur besseren Betreuung der Flüchtlinge aus Syrien und dem Irak in der Türkei beitragen. Dies mag wohl zum Teil stimmen, doch steht dahinter nicht eher der Verdacht, dass sich Erdogan Geld aus dem Westen für Waffenkäufe beschafft, um noch intensiver die Kurden zu bekämpfen?

Die Auswirkungen dieses Übereinkommens zwischen EU und der Türkei dürften absehbar sein. Sultan Erdogan, der Gebieter über 78 Mio. nationalbewusste Türken, wird zunehmend bei einer Aufnahme in die EU seinen Einfluss, wie schon jetzt, verstärkt ausüben. Jahrzehntelang konnte die Aufnahme der Türkei in die EU erfolgreich verhindert werden, nun soll es nicht mehr wahr sein, was Helmut Kohl einst auf die Möglichkeit einer Vollmitgliedschaft in der EU anmerkte: "Ich wüsste nicht, dass die Türkei ein europäisches Land ist." So leicht werden Worte der eigenen Politiker vergessen, wenn es nur einer pragmatischen Tagespolitik dient!

Manfred Lietzow