Begegnung mit dem Iran

01.07.2015

Ginge es nach George W. Bush, dann dürfte man nicht in das Land des Bösen fahren, wozu er auch den Iran zählte. Nun scheint sich das Blatt wohl zu wenden. Die IS-Terrororganisation lässt zwangsläufig neue Koalitionen schmieden und „Die Welt“ sieht in ihrer Ausgabe v. 26. 5. 2015 schon ein neues großes Bündnis zwischen Putin, den Saudis, Israel, Assad, Teheran, Kairo, Erdogan und dem libanesischen Schiitenführer Nasrallah voraus. Zurzeit sicher noch Illusion, aber wer weiß? Schon sprachen vor kurzem in Lausanne die Außenminister mit ihrem iranischen Kollegen über das Atomprogramm des Irans und ein Hauch von Hoffnung keimt unter dem neuen liberalen Staatspräsidenten Hassan Rohani auf, dass vielleicht doch noch ein Kompromiss gefunden wird. Ziel ist es, dem Iran die friedliche Nutzung der Kernenergie zu erlauben, aber keine Atomwaffen, die anderen Verbündeten der USA wie Israel und Pakistan aber zugestanden werden. Im Gegenzug sollen die Sanktionen gegen den Iran aufgehoben und bis Ende Juni soll ein Abkommen hierüber abgeschlossen werden. Das wäre sicher wünschenswert.

Der Iran wird gegen den IS gebraucht und auch die USA müssen endlich einsehen, dass ihre Isolationspolitik und Sanktionen, wie meist überhaupt, gegen den Iran nicht besonders geholfen haben. Davon konnte ich mich auf meiner gerade durchgeführten Studienreise durch den Iran, dieses uralte Kulturland, zwischen Täbris im Norden und Schiras im Süden auf einer Strecke von über 4.000 km selbst überzeugen. Trotz der Installierung der „Islamischen Republik“ unter Khomeini und unseres im westlichen Denken fremd wirkenden Demokratieverständnisses herrscht im Iran im Gegensatz zum sunnitischen Saudi-Arabien eine gewisse Religionsfreiheit für die „Buch-Religionen“. Dazu gehören das Christentum, das Judentum und die Lehre von Zoroaster (Zarathustra). So konnte ich  in vielen Städten, wie z. B. in Isfahan, die christliche Vank-Kathedrale der armenischen Minderheit besuchen oder den Feuertempel der Zoroaster-Anhänger in Yazd. Auch besteht ein hohes Bildungsniveau im Iran, wovon besonders die Frauen profitieren. Über 60 % der Studenten sind weiblich! Auch wenn noch weiterhin durch die Sanktionen starke Einschränkungen bestehen, also nicht zum IWF zu gehören, vom Import bestimmter Einfuhrgüter und Technologien abgeschnitten zu sein etc., konnte ich eine wachsende Verbesserung der Infrastruktur wahrnehmen: Neue Autobahnen, Brücken, Straßen und Bauten entstehen, dazu Stauseen und Windparks. In den Wüsten werden viele Bäume und Sträucher systematisch angepflanzt. Waffen zur Sicherung des Staates von 78 Mio. Einwohnern und sieben Nachbarländern, der 4,5 x so groß wie das jetzige Deutschland ist, werden, zum Ärger der USA, von anderen Staaten besorgt. Soll der Iran etwa schutzlos dem IS aus dem Irak oder den Taliban aus Pakistan und Afghanistan ausgesetzt sein? Jedoch haben sich die USA das alles selbst zuzuschreiben, schließlich haben sie jahrzehntelang bis 1979 wieder einmal das falsche Regime unterstützt, nämlich den Schah von Persien, der nur allzu willfährig den Einfluss der USA im Iran unterstützte und zuließ, dass der Iran beim Ölgeschäft von den Yankees über den Tisch gezogen und zunehmend von „US-Militärberatern“ überschwemmt wurde.

Die Wut der iranischen Bevölkerung entlud sich durch die seit 1963 vom Schah verfehlte „Weiße Revolution“ zur Modernisierung und Industrialisierung  des Irans, die seinen größten Widersacher, den religiösen Führer der Schiiten Ayatollah  Khomeini, mit Unterstützung der USA und Westmächte aus dem französischen Exil zurückholte und der Schah sich ins Exil nach Amerika begeben musste. 444 Tage wurden 52 Angehörige der amerikanischen Botschaft in Teheran als Geiseln genommen, weil die USA ihren Vasallen, Mohammed Reza Shah Pahlavi nicht ausliefern wollten. Diese Demütigung haben die USA dem Iran bis heute nicht vergessen. Sie unterstützten Saddam Hussein anfangs im Krieg, den der Irak 1980-88 gegen den Iran vom Zaun brach und lieferten dann Waffen an beide Seiten, um das Gleichgewicht am Persischen Golf wieder herzustellen. Verständlich, dass der Iran genug hatte von den USA und seinen Alliierten, besonders den Briten und Franzosen, aber auch den Russen. Mehrmals wiederholten mir Iraner im Gespräch: „Die Engländer, Franzosen und Russen, später die Amerikaner haben uns ausgebeutet, die Deutschen dagegen bauten uns Straßen Eisenbahnen und Schulen. Wir lieben die Deutschen!“ Und tatsächlich, überall wo ich hinkam, wurde ich freundlich im Iran begrüßt. Die deutsch-iranische Freundschaft hat seit Jahrzehnten eine alte Tradition. Wir sollten sie uns von den USA nicht durch Sanktionen verderben lassen und man kann nur hoffen, dass die Verhandlungen in Lausanne bewirken, dass sie endlich aufgehoben werden, schließlich sind weltweit der eigentliche Feind unserer Kultur und Zivilisation der IS und seine Unterstützer in Saudi-Arabien, die treuen Öl-Partner der USA. Vielleicht sollten die USA nach ihrer verfehlten Irak-und Nahost-Politik einmal umdenken!

Manfred Lietzow