
Seit Monaten überschlagen sich die Medien mit Meldungen über Flüchtlinge, die aus Krisengebieten über das Mittelmeer oder auf dem Landwege durch den Balkan nach Europa flüchten, natürlich in die wirtschaftlich starken Länder der EU, allen voran Deutschland, Österreich und Schweden. Wen verwundert es? Wer von Bürgerkriegen, Verfolgungen und Wirtschaftskatastrophen im Heimatland betroffen ist, versucht, besonders wenn er jung ist, diesem Desaster zu entgehen. Junge und Alte, Mütter mit Kindern setzen sich täglich den Strapazen der Flucht aus und versuchen über die Türkei, Griechenland, Italien in Mittel- und Nordeuropa Fuß zu fassen. Seit Lybien nach Gaddafis Sturz zusammengebrochen ist und im Irak und in Syrien täglich Hunger und Tod herrschen, überflutet eine Welle von täglich Tausenden Europa. Und Europa? Es schottet sich ab und die vielgepriesene und ständig angemahnte Solidarität der Staaten von EU und UNO wird nur von den drei zitierten Ländern wahrgenommen. Griechenland, Italien und die Balkanstaaten lassen die Flüchtlinge so schnell wie möglich durchreisen, anstatt ihren Verpflichtungen nach den EU-Verträgen nachzukommen. Ungarn und Großbritannien errichten Stacheldrahtzäune und zeigen Festungsmentalität, während Polen und andere Staaten sich vehement weigern, Flüchtlinge in angemessener Zahl überhaupt aufzunehmen. So bleiben primär sehr viele in Deutschland. "Wir können nicht alle aufnehmen", sagt die Kanzlerin, fürwahr, Wirtschaftflüchtlinge sicherer Balkanstaaten sollen wieder zurückgeschickt werden. Das ist mittlerweile Konsenz von CDU und SPD, während blauäugige Grüne und Linke vor Tränen bei Abschiebungen zerfließen. Schon vor Jahren wies DER SPIEGEL auf die kommenden Flüchtlingswellen hin, nur keiner wollte es glauben und verdrängte es! Weder die EU noch die einzelnen Mitgliedsstaaten entwickelten rechtzeitig Konzepte für den Ernstfall. So ist der Alltag heute häufig von Kopf- und Konzeptionslosigkeit geprägt, die Flüchtlingsprobleme zu bewältigen.
Es fehlt an zentral strukturierten Überprüfungen und einer schnellen Abschiebung von politisch und religös nicht Verfolgten schon an den Außengrenzen, wo zuerst die Aufnahmelager eingerichtet werden müssten.Der Bund überlässt die Aufnahme und Integration von Flüchtlingen den Ländern, die sie wiederum auf die Kreise und Gemeinden verteilen. Es wird um Kompetenzen, Geld und Unterkünfte gerangelt. Man schiebt sich ständig gegenseitig Versäumnisse und die Schuld zu. Keine Gemeinde, bei der die Probleme hängenbleiben, freut sich trotz aller propagierten "Willkommenskultur", wenn täglich mehr Flüchtlinge zugewiesen werden und die Unterkunftsmöglichkeiten fehlen, auch im Hinblick auf den kommenden Winter. Viele Kreise und Gemeinden sind trotz guten Willens schlicht überfordert, angemessen dem Flüchtlingsnotstand zu begegnen. Da Gemeinden meist erst kurzfristig über neue Flüchtlingssendungen informiert werden und kleine Gemeinden in Relation zur Einwohnerzahl mehr aufnehmen, als sie verkraften können, führt dies häufig zu Protesten von Anwohnern, die von radikalen Strömungen politisch ausgenutzt und verstärkt werden. Es ist ein gesamtdeutsches Problem, wie die Übergriffe gegen Flüchtlinge und Asylanten-Unterkünfte der jüngsten Vergangenheit bundesweit zeigen. Dagegen helfen nur klare Gesetze und Konzepte einer weitblickenden und gezielten Integration in erster Linie von Kriegsflüchtlingen wie z. B. den Syrern, die zudem noch meist gute Ausbildungen besitzen, die Deutschland bei dem zunehmenden Fachkräftemangel zugutekommen. Nicht umsonst haben dies auch die sonst in Einwanderungsfragen so zögerlichen USA erkannt, da sie nun 10.000 Syrer aufnehmen wollen.
Integration setzt ein Umdenken in den Köpfen vieler Bürger bei uns voraus.Dazu gehört mehr Mitleid und Einfühlung mit Flüchtlingen aus Kriegsgebieten zu empfinden und ihnen ihre Traumata, besonders den Kindern überwinden zu helfen. Das erfordert einen gezielten Einsatz von Fachkräften, Psychologen und Sozialpädagogen vor Ort. Voraussetzung einer jeden wirkungsvollen Integration muss zudem eine intensive Vermittlung der deutschen Sprache sein. Wie soll man sonst auf der Schule, in der Lehre oder im Studium erfolgreich für das Berufsleben vorbereitet sein?
Aber zurück in unsere eigene Geschichte: 1945 und Jahre danach musste das restliche zerstörte Deutschland Millionen von Flüchtlingen aus den Ost- und Vertreibungsgebieten Europas aufnehmen. Viele Ältere der 15 Mio. nach dem II. Weltkriege deutschen Flüchtlinge wissen noch, was es bedeutet, unter Lebensgefahr vertrieben und geflüchtet zu sein, dazu geplagt von Hunger, Krankheiten, dem Verlust von Heimat und Angehörigen. Helfen wir also, denen, die heute auch in Not sind. Geben wir den egoistischen Nachbarländern ein positives Beispiel. Ist es nicht unsere christliche und moralische Pflicht, Notleidenen zu helfen?
Manfred Lietzow
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