Der Völkermord an den Armeniern

02.07.2016

Wenn man gerade aus Armenien von einer Studienreise zurückkommt und mit den dortigen Problemen konfrontiert wird, den Auseinandersetzungen um Berg Karabach mit Aserbeidschan und das seit über 100 Jahren angespannte Verhältnis zur Türkei, wenn man den schwerbewachten Grenzzaum zwischen Armenien und der Türkei sieht und in Eriwan am "Schwalbennest"- Mahnmal für den Völkermord der Osmanen (heute Türken) an den Armeniern Blumen niedergelegt und das Museum über den Genozid besucht hat, bekommt man mehr Verständnis für das noch heute nachwirkende Trauma der Deportationen und Massaker der Osmanen im I. Weltkrieg an diesem kleinen tapferen armenischen Volk mit heute nur noch 3,1 Mio. Einwohnern, das zu den ältesten christlichen Völkern der Welt gehört.

Es hat lange gedauert bis sich der Deutsche Bundestag dazu endlich durchgerungen hat, am 2. 6. 2016 fast einstimmig eine Resolution über den Völkermord an den Armeniern 1915 zu verabschieden zum Leidwesen der Türkei und Erdogans. Er drohte schon vorab und schon entzogen sich die Kanzlerin, Außenminister Steinmeier und Kanzlervize Gabriel der Abstimmung durch "wichtige Termine", während 2015 der Bundespräsident Gauck und der Bundestagspräsident Lammert schon seit langem das Massaker an den Armeniern gegeißelt hatten. Berlin möchte die Türkei genauso wie 1915 als Bündnispartner nicht verägern. Die CDU/SPD Koaltionsspitze kneift anstatt einem Despoten wie Erdogan die rote Karte zu zeigen! Glücklicherweise hat sich der Bundestag nun fast einstimmig für die Resolution entschieden. Glückwunsch den Armeniern!

Das heutige Armenien ist mit 29.800 m² in der Größe des dt. Bundeslandes Brandenburg nur noch der Rest eines nach Teilungen durch Osmanen, Perser und Russen einstigen Reiches zwischen Mittelmeer und Kaspischem Meer, das immer den politischen Interessen starker Nachbarn zum Opfer fiel. Noch heute gehört Südwest-Armenienen seit der Teilung zwischen der Türkei und Sowjetrussland 1920 mit dem Nationalsymbol, dem hl. Berg Ararat, wo Noah nach der Sintflut gelandet sein soll, zur Türkei. Als Teil des Osmanischen Reichs fand in den armenischen Siedlungsgebieten am Van-See in Ostanatolien u.a. während des I. Weltkriegs einer der größten Genozide der Weltgeschichte statt. 800.000 - 1,5 Mio. Armenier starben 1915/16 durch Deportationen, Hunger und Ermordungen durch Osmanen, ein furchtbares Verbrechen, was noch heute von der Türkei gegenüber den historischen Untersuchungen geleugnet wird, obwohl 1985 die UN-Menschenrechtskommission den Völkermord an den Armeniern als Genozid anerkannte.

Schon 1894-96 hatte es Pogrome gegen die armenische Bevolkerungsgruppe mit 80 - 300 000 Toten gegeben. Verschärft wurden die Übergriffe gegen die Armenier seit 1908, als die nationalistische Reformbewegung der Jungtürken zunehmend politischen Einfluss nahm. 1909 kam es dann zu Ausschreitungen gegenüber den Armeniern mit 15- 20.000 Toten. 1914 trat das Osmanische Reich an der Seite der Mittelmächte Deutschland, Österreich-Ungarn in den I. Weltkrieg. Die Mehrheit der Armenier verhielt sich gegenüber dem Osmanischen Reich loyal. Da jedoch einige armenische Freiwilligenverbände auf russischer Seite kämpften, wurde dies zum Anlass genommen, die Armenier nach dem Einmarsch der Russen in Ostanatolien dafür verantwortlich zu machen und noch vor dem Deoportationsgesetz v. 27. 5. 1915 zu deportieren. Während anfangs Verhaftungen der armenischen Elite vorgenommen wurden, begann bald darauf eine systematische Dezimierung der armenischen Bevölkerung durch Massaker, Todesmärsche und Transporte. Eine Massenaustreibung von Frauen, Kindern und Alten in die syrische Wüste führte dazu, dass Tausende verhungerten und verdursteten. Dank der Hilfe von Einheimischen konnten auch einzelne Armenier gerettet werden.Einen heldenhaften Widerstand für 40 Tage leisteten die Armenier am Berge Musa den Osmanen. Franz Werfel verfasste hierüber sein weltweit Aufsehen erregendes literarisches Werk "Die vierzig Tage des Musa Dagh".

Großen Mut bewies der deutsche evangelische Pastor Johannes Lepsius. Er war Augenzeuge der Deportationen und Massaker geworden und intervenierte sogar persönlich bei der osmanischen Regierung. Auch die deutschen Botschafter Hans von Wangenheim und Graf Wolf Metternich sowie der deutsche Generalkonsul in Konstantinopel Johann Heinrich Mordtmann kritisierten die osmanischen Massaker an den Armeniern und intervenierten beim Reichskanzler des Deutschen Reichs Theobald v. Bethmann-Hollweg. Dieser weigerte sich aus politischen Gründen mit Rücksicht auf das Bündnis mit dem Osmanischen Reich gegen die Entente, bei den Türken Protest einzulegen. Selbst hohe deutsche Militärs wie der preußische General der Kavallerie und osmanische Marschall, Liman von Sanders, intervenierten aufs Schärfste gegen die Deportationen und Massaker an den Armeniern, indem er drohte, er werde dies notfalls mit Waffengewalt verhindern.

Bis heute lehnt die Türkei es ab, den Genozid an den Armeniern als Völkermord anzuerkennen. Der türkische Staatspräsident und "Möchtegern-Sultan" Erdogan verhinderte vor Jahren ein Denkmal über den armenischen Völkermord. Direkt oder indirekt versucht er weltweit alle Resulutionen und Erinnerungen schon im Vorfeld zu torpedieren, so zuletzt ein im Herbst in Sachsen geplantes Memory-Konzert oder er versucht durch unverhohlene Drohungen, wie jüngst gegen Deutschland vor der Bundestagsresolution über den Völkermord an den Armeniern. Der türkische Nationalismus lässt wieder einmal grüßen! Erdogan und seine Vasallen denken nicht daran, wie sie sich zunehmend in der Weltgemeinschaft politisch isolieren. Er erpresst die EU und primär Deutschland in der Flüchtlingsfrage, islamisiert und unterdrückt mit drakonischen Mitteln sein eigenes Volk; denn er vertraut darauf, dass er als geostrategisches Brückenland zwischen Orient und Okzident vom Westen gebraucht wird. Und die USA? Sie lassen ihn gewähren und die Kanzlerin gibt sich zunehmend "besorgt". Wie lange noch?

Manfred Lietzow